Eine verrückte Reise in die wilden 1920er Jahre
von Dietmar Bock / 28.06.2019
Die drei Damen tragen, wie sie selber sagen, „kurze Beinkleider“. Die sind reichhaltig verziert. Hinzu kommen Kopf- und Haarschmuck. Möglich machte dies vor fast 100 Jahren ein Import aus Amerika: Charleston, der „wilde Tan der 1920er-Jahre“, wie es Elke Buschmann formuliert.
Die Klarinette speilende Leiterin des seit 1990 bestehenden Swing-Ensembles aus Köln stimmt das Publikum im Hansa-Theater gemeinsam mit Iris Laymouyette (Akkordeon) und Anne-Sophie Mund (Violine, Horn-Geige), Philip Roesler (Klavier) und Michale Schleich (Kontrabass) instrumental auf den flotten Tanz und damit auch gelungen aus die damalige Zeit ein. Eine Zeit, in der ein Pfund Brot 1 Milliarde Reichsmarkt kostete, weil die Inflation unvorstellbare Ausmaße angenommen hatte.
Dich vor allem in Berlin ließ man sich deshalb nicht den Spaß am Leben nehmen. Diese Diskrepanz zwischen beschwerlichem Alltag und zunehmender Leichtigkeit auf kulturellem gebiet bietet das Swing-Schlager-Kabarett unter dem Motto „Männer sind ’ne komisch Erfindung“ dar.
„Eine verrückte Reise in die wilden 1920er Jahre“ wird Eingang angekündigt – und eingehalten.
Gekonnte Hit-Persiflagen
„Schöner Gigolo, armer Gigolo“, heißt es da. Einer von vielen Hits, den das gesangstarke Damen Trio Elke Buschmann, Iris Lamouyette und Anne-Sophie Mundt ebenso inhaltlich humorvoll abwandelt wir „Ich bon von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ aus dem Filmklassiker „Der blaue Engel“ mit Marlene Dietrich.
Doch damit nicht genug der Persiflage. Sie singen die Songs partiell in kölscher Mundart, sorgen si für besondere Komik, die auch beim Monroe-Evergreen „Diamonds are girl’s best friend“ ihre Wirkung nicht verfehlt.
Stellt das weibliche Trio die Männer als „komische Erfindung“ dar, kontert Hanns Buschmann als Otto Reutter, der Star der Berliner Varietés Wintergarten, mit „Wie reizende sind die Frauen“. Entgegen dem netten Titel handelt es ich bei diesem Lied um „eine chauvinistische Klamotte“, wie es Buschmann selbst einordnet.
Der Frack- und Zylinder Träger entführt galant in die Kabarett-Szene der 20er-Jahre, die wir allem durch gesungenen, bissigen Spott geprägt war. Otto Reutter Couplets bilden da keine Ausnahme und vergangenen Sonntag zu dem ein pointiertes Gegenstück zu den männerkritischen, leicht hysterischen Chansons der drei Damen. Seine augenzwinkernde Empfehlung: „Nehm s’en Alten!“
Geräuschvolle Zuschauer
Zudem beruhigt er mit „In 50 Jahren ist alles vorbei“ ebenso ironisch wie er mit „Mir ham’e als geheilt entlassen“ schon abgedreht den „Irren von Cottbus“ gibt. Das ist inhaltsstark, auf hohem Niveau sowie musikalisch und schauspielerisch glänzend gemacht.
Dafür wird das Kölner Ensemble nach zweieinhalb Stunden mit lang anhaltendem Beifall und Jubelrufen gefeiert.
So gibt es „Mit der Uhr in der Hand“ und „Mein Bruder macht beim Tonfilm die Geräusche“ zwei weitere satirische Werke als Zugabe. Bei letzterer dürfen die Zuschauer selbst Geräusche machen. Mittels zuvor ausgeteilten Tröten. Es kommt dem verdienten Tusch für eine klasse Vorstellung gleich.